Rede zum Haushalt 2021 Kreis Viersen von Hans Joachim Kremser

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Haushaltsberatungen in diesem Jahr stehen aus unserer Sicht unter besonderen Vorzeichen, die ich an drei Punkten verdeutlichen möchte:

  1. Es handelt sich um den ersten Haushalt in der neuen Wahlperiode. Viele Vorzeichen haben sich verändert und müssen neu gesetzt werden, daran wird die SPD im Kreis aktiv mitwirken.
  2. Die Corona-Pandemie begleitet uns nach wie vor. Sie hat Einfluss auf viele Lebenslagen der Menschen, hinterlässt aber auch im politischen Leben im Kreis Viersen ihre Spuren. Wir alle müssen uns den neuen Gegebenheiten anpassen. Durch die andauernde Notsituation infolge der Pandemie liefen unsere Haushaltsberatungen nicht in gewohnter Form ab. In Besprechungen und Sitzungen müssen wir die Corona-Maßnahmen einhalten. Die Ausschüsse können nicht in Präsenz tagen und auch der Kreistag kommt im Moment nicht zusammen. Nicht zuletzt mussten die dringendsten politischen Entscheidungen, die sonst in Präsenz im Kreistag und seinen Ausschüssen diskutiert und getroffen werden, in den Kreisausschuss verlagert werden. Das macht die Ausnahmesituation, in der wir uns nach einem Jahr noch immer befinden, besonders deutlich.
  3. Neu ist in dieser Wahlperiode auch, dass der Ausgang der Kommunalwahl im September die politische Landschaft im Kreis Viersen nachhaltig verändert hat. Die vormals deutliche CDU-Dominanz in den Kommunen ist geschwunden. In weniger Kommunen stellen die Christdemokraten den Bürgermeister. In mehreren Kommunen gibt es dagegen eine neue Ausrichtung mit SPD, Grünen und Unabhängigen. Bürgermeisterämter wurden neu besetzt.

Diese personellen Veränderungen beeinflussen nachhaltig auch die Entscheidungen im Kreistag. So haben sich politische Veränderungen nach der Konstituierung des Kreistages durch die Neuordnung von Ausschüssen ergeben. Ich möchte den Umweltausschuss nennen, der durch die Auslösung aus einem anderen Ausschuss nochmal eine ganz besondere Bedeutung erhalten hat. Damit senden wir das wichtige Signal aus, dass wir uns im Kreistag verstärkt dem Klima- und Umweltschutz widmen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich die Klimaschutzstrategie der Kreisverwaltung und damit auch die Schaffung zusätzlicher Stellen im Stellenplan – das ist konsequent und notwendig.

 

Bei den aktuellen Bautätigkeiten und den Planungen der Kreisverwaltung bleiben wir unserer Linie treu, diese Planungen transparent und in Absprache mit den Gremien in Verfahrensschritten abzustimmen. Es darf nicht wie beim Kreisarchiv weitreichende Automatismen geben.

Einige Ansätze im Haushalt dazu sind teilweise nicht nachvollziehbar, so z.B. die Planungskosten für den Neubau der KFZ-Zulassungsstelle in Höhe von 500.000 €. Hier fordern wir deutlich mehr Transparenz!

Ich komme nun zu den Positionen unserer Anträge, die die Themen widerspiegeln, die für uns Sozialdemokraten besonders wichtig sind. Im Mittelpunkt stehen für uns die Bereiche Bildung, Finanzen, Soziales.

Der Haushalt wurde im Oktober 2021 eingebracht mit einer Entnahme in Höhe von ca. 5 Millionen aus der Rücklage, aktuell sind keine Entnahmen nötig. Daher kann die Kreisumlage um 0,5% gesenkt werden. Wir wollen dem Ansinnen der Bürgermeister zustimmen. Die Argumente sind für uns schlüssig und nachvollziehbar.

Finanzen

Die Kommunen stehen in der Corona-Pandemie vor besonderen Herausforderungen, das betonte ich bereits zu Beginn. Dazu kommen wegfallende Gewerbesteuern bei gleichzeitig hohen Pandemiekosten. Noch hat der Bund die Kommunen für das Jahr 2020 unterstützt. Doch auch 2021 und 2022 wird Corona nachwirken. Die Kommunen sind es, die während der Krise die beschlossenen Maßnahmen vor Ort umsetzen müssen. Der Kreis darf die Kommunen nicht im Regen stehen lassen – er muss Verantwortung übernehmen. Eine zusätzliche, weitere Entlastung um 0,5%, wie auch von den Bürgermeistern gefordert, ist aus Sicht der SPD das richtige Zeichen. Der Hinweis, es könnte in den nächsten Jahren finanziell eng werden für den Kreis und man müsse womöglich die Kreisumlage wieder anheben, wirft bei uns die Fragen auf, wie sieht es dann erst bei den Kommunen aus. Der Kreis als umlageberechtigte Institution wird sich dann ebenfalls einschränken müssen, dann lieber jetzt etwas mehr geben, das hilft den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort im Sozialen, bei den OGS und beim Bau von dringend benötigtem Wohnraum.

Daher erschließt sich uns die aktuelle Argumentation der Kreisverwaltung nicht, wir unterstützen die zusätzliche Senkung der Kreisumlage um weitere 0,5%.

Soziales

Die SPD hat mit ihren Anträgen insbesondere auf eine Verbesserung der sozialen Ansätze abgezielt. Moderate Forderungen sollen einen Ausgleich für mittlere und geringe Einkommen schaffen.

Es bleibt unser erklärtes Ziel, dass Bildung im Kreis Viersen kostenfrei sein muss, auch für die ganz Kleinen, damit der Kreis Viersen noch familienfreundlicher wird, insbesondere angesichts der Herausforderungen in der Pandemie, vor denen Familien im Speziellen stehen. Im Haushalt 2021 sollen deshalb Mittel zur Entlastung bei Kita-Beiträgen bereitgestellt werden. Wir beantragen die vollständige Abschaffung der Beiträge in der Stufe 2 (bis 52.000 € Jahreseinkommen der Eltern) und die Herabsetzung der Beiträge in den folgenden Stufen für die Kindertagesbetreuung im Kreis Viersen ab dem Kindergartenjahr 2021/2022. Die Anpassungen aus dem letzten Jahr zu diesem Themenkomplex begrüßen wir ausdrücklich, sie gehen uns aber noch nicht weit genug.

Wir sind der Überzeugung, dass der Kreis Viersen ausreichend zusätzliche Haushaltsmittel für Langzeitbezieher von Leistungen nach dem SGB II zur Verfügung stellen muss für diejenigen, die sich in Projekten zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt befinden.

Durch eine Aufwandsentschädigung in Form einer wie auch immer gearteten Anerkennungsprämie können wir zusätzliche Anreize schaffen und

bestehende Vermittlungshemmnisse besser abbauen. Gleichzeitig wird der Kreis damit einem erhöhten Bedarf für diese Personengruppen gerecht. Die Höhe dieser Prämie soll sich an den früheren

Zusatzzahlungen bei „1-Euro-Jobs“ orientieren. Mit ein wenig gutem Willen werden wir hier einen geeigneten Weg finden.

In der Pandemie sind noch mehr Menschen als sonst auf Beratung und Hilfestellungen in verschiedenen Lebenslagen angewiesen. Wir brauchen derzeit mehr Beratungsstellen statt weniger. Deshalb ist der Wegfall der Beratung der Diakonie Krefeld & Viersen als alternatives Angebot zur katholischen Beratung umso kritikwürdiger. Wir beantragen, die Gespräche mit der Diakonie Krefeld & Viersen auf Kreisebene wieder aufzunehmen und einen neuen Vertrag für psychologische Beratung abzuschließen. Die bisherigen Kosten dafür belaufen sich auf 65.400 €, die wir beantragen im Haushalt einzustellen. Die Kosten müssen nach neuem Vertragsabschluss selbstredend angepasst werden. Beratungsleistung gehört in professionelle Hände und sollte nicht innerhalb des Kreises Viersen angesiedelt werden. Für Betroffene, für die es ohnehin Überwindung kostet, sich Hilfe zu holen, wäre es eine zusätzliche Hemmschwelle, sich an eine offizielle Behörde mit ihren Problemen und Sorgen zu wenden. Deshalb braucht es unabhängige Hilfsangebote, die der eigenen Konfession entsprechen.

In vielen sozialen und gesundheitlichen Bereichen sowie in der Bildung sind wir im Kreis Viersen auf freie Träger angewiesen. In den Bereichen der Ämter 50, 51 und 53 – dem Sozialamt, dem Amt für Schulen, Jugend und Familie und dem Gesundheitsamt – unterstützt der Kreis Viersen daher freie Träger bei der Wahrnehmung von wesentlichen Aufgaben mit pauschalen Zuschüssen. Dazu zählen sozialpsychiatrische Hilfen in den Bereichen Sucht, Betreuungsvereine, das Kinder- und Jugendtelefon sowie soziale Gruppenarbeit. Seit Jahren sind diese Zuschüsse gleichgeblieben und bilden die allgemeinen Kostensteigerungen – insbesondere in den Personalkosten – nicht ab. Nicht in allen Bereichen existieren Verträge, die einerseits die zu erbringenden Leistungen auch rechtlich verbindlich beschreiben und andererseits die Bezuschussungsgrundlage auch vor dem Hintergrund jährlich steigender Kosten beinhalten. In anderen Fällen sind trotz vertraglichen Vereinbarungen die pauschalen Zuschussbeiträge seit Jahren „eingefroren“. Wir beantragen daher, ab dem Haushaltsjahr 2021 grundsätzlich eine Erhöhung um 2.5% p.a. für pauschale Zuschüsse, die nicht bereits Verhandlungen im Einzelfall unterliegen. Mit einer derartigen Regelung möchten wir einer finanziellen „Abkoppelung“ von allgemeinen Entwicklungen dieser wichtigen Arbeit entgegenwirken sowie der hohen Qualität und dem großen Engagement der freien Träger den notwenigen Respekt für ihre wichtige Arbeit zollen und dort für finanzielle Planungssicherheit sorgen.

Wohnen

Besonders am Herzen liegt uns Sozialdemokraten die Verbesserung der Wohnbausituation für die angeschlossenen Städte und Kommunen. Dafür bedarf es einer gesonderten Bestandsaufnahme. Meine Kreistagsfraktion beantragt daher Mittel für ein kreisweites Monitoring zum Thema bezahlbarer Wohnraum im Haushalt 2021 einzustellen. Das Monitoring soll verbindliche Aussagen zum Bestand und zum Bedarf von gefördertem Wohnraum im Kreis Viersen, seinen Städten und Gemeinden treffen. Ziel ist für uns die Schaffung von preisgebundenem Wohnraum, der Ausbau von Wohnungen für Menschen mit Behinderung sowie die Verbesserung des Gebrauchswertes von Bestandsimmobilien durch Modernisierungen. Wir wollen, dass die zukünftigen Bedarfe kreisweit ermittelt und dabei alle Städte und Kommunen angemessen eingebunden werden, um mittel- und langfristig entsprechende Finanzmittel bedarfsgerecht einzusetzen. Aus Sicht der SPD können nur durch ein umfassendes, kreisweites Monitoring belastbare Antworten und Lösungen darauf gefunden werden. Die Ergebnisse sind im Fachausschuss zu beraten und Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Gesundheit

Die öffentliche Verantwortung für Gesundheit ist nicht nur in Pandemie-Zeiten unerlässlich. Corona hat das noch einmal besonders deutlich vor Augen geführt. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist jedoch unzureichend ausgestattet. Die Gesundheitsämter müssen aufgewertet, modernisiert und systematisch viel stärker aufgestellt werden. Das ist Aufgabe des Landes. Wir werden uns in den nächsten Jahren diesem Thema besonders annehmen.

Schutz vor sexueller Gewalt

Als letzten Punkt möchte ich einen Antrag ausführen, den wir als Kreistagsfraktion zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der sozialdemokratischen Frauen in Stadt und Kreis (AsF) stellen. 2017 gaben bei einer repräsentativen Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur 43% der teilnehmenden Frauen an, sexuell bedrängt oder belästigt worden zu sein. Scham, die Sorge davor stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden und insbesondere Zweifel, ob einem geglaubt wird, sind Gründe dafür, dass Betroffene zu oft über ihr erlittenes Leid und Unrecht schweigen. Deshalb stellen wir einen Antrag zur Realisierung einer Kampagne mit dem Titel: „Hilfe bei sexueller Gewalt an Frauen und Mädchen“. Dazu müssen Haushaltsmittel in den Kreishaushalt eingestellt werden. Die Kampagne soll auf mehreren Ebenen und durch unterschiedliche Instrumente Frauen und Mädchen ansprechen und speziell an sie gerichtete Hilfestellungen leisten. Dazu gehört eine Übersicht über vorhandene regionale und überregionale Ansprechpartner*innen, virtuelle und analoge Anlaufstellen für Frauen und Mädchen, die einem sexuellen Übergriff ausgesetzt waren, mit Telefonnummern und Webseiten. Es reicht dafür nicht, auf diese Stellen auf der Homepage des Kreises oder der Städte und Gemeinden schlicht zu verweisen. Damit erreichen wir Betroffene nicht. Stattdessen sprechen wir uns für eine crossmediale Kampagne aus, die unter Einbindung einer professionellen Agentur entwickelt wird, die in geeigneter Form Kontaktinformationen und Hilfestellen vermittelt – an digitalen Orten, in denen sich Betroffene ohnehin aufhalten. Um Breitenwirkung zu erzeugen, muss die Kampagne zusätzlich flankiert werden durch Print- und Online-Veröffentlichungen an relevanten Orten im gesamten Kreis, wie z.B. in Kitas, Schulen, öffentlichen Einrichtungen, Aushängekästen, an Bushaltestellen und Bahnhöfen, in Bussen und dem regionalen Nahverkehr, in Krankenhäusern, Einkaufszentren sowie Arztpraxen – und das über einen längeren Zeitraum.

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich unsere Positionen kurz zusammenfassen. Wir möchten gemeinsam mit Ihnen neue, deutliche soziale Akzente setzen; wir wollen im Kreis Viersen die Wohnungssituation nachhaltig verbessern und mit dem Ansatz, eine Kampagne gegen sexuelle Gewalt anzustoßen, dieses Thema in der Öffentlichkeit nachhaltig verankern.

Wir wissen, dass einige unserer Anträge noch einer weiteren Beratung in den Fachausschüssen bedürfen und stimmen diesem Verfahren ausdrücklich zu.

Die SPD-Fraktion unterstützt ausdrücklich die stimmige Klimastrategie des Kreises Viersen und zusammengefasst tragen wir diesen Haushalt mit.

Hans Joachim Kremser

Haushaltsrede zum Download: Entwurf_Haushaltsrede_2021_SPD_Fraktion