SPIEGEL: Kaum war der Koalitionsvertrag unterschrieben, kamen Sie mit überraschenden Vorschlägen zur Sozialpolitik. …
Lafontaine: Wir haben das mit dem Koalitionspartner diskutiert. Wir sind uns einig: Es reicht auf Dauer nicht, daß wir die Sozialausgaben über die ökologische Steuer- und Abgabenreform umfinanzieren. Wir brauchen auch Reformen im System, die dazu führen, daß die Sozialversicherungsbeiträge sinken können, zumindest nicht steigen. …
SPIEGEL: … zur Arbeitslosenversicherung …
Lafontaine: … habe ich gesagt, daß es viele Fälle gibt, in denen jemand hohes Arbeitslosengeld bezieht, obwohl Familieneinkommen und Vermögen da sind. Und ich frage nun, ob der Sozialstaat nicht besser so konstruiert sein sollte, daß nur die Bedürftigen Nutznießer des Sozialstaats sind.
…
SPIEGEL: Wollen Sie jemandem, der 20 Jahre Beiträge in die Arbeitslosenversicherung bezahlt hat, demnächst sagen: Ab jetzt gibt es nur noch Geld für Bedürftige? Das dürfte verfassungswidrig sein.
Lafontaine: Die Debatte geht ins Grundsätzliche, nicht nur ins Rechtliche: Für welche Systeme brauchen wir eher ein Versicherungsprinzip oder eher das Sozialstaatsprinzip? Beim Versicherungsprinzip zahlt man soundsoviel ein und hat soundsoviel Anspruch. Beim Sozialstaatsprinzip ist es anders: Man zahlt viel, viel weniger, aber nur diejenigen bekommen dann Leistungen aus der Gemeinschaftskasse, die echt bedürftig sind.
SPIEGEL: Diejenigen, die ein Leben lang sparen, werden bestraft, kriegen im Falle der Arbeitslosigkeit oder wenn sie Pflege brauchen nichts.
Lafontaine: Gegen jede Leistung des Sozialstaats kann man dieses Argument ins Feld führen. Die Leistung des Sozialstaats gilt ja dem Bedürftigen, dem Ellenbogenmenschen immer vorwerfen werden, du hast nichts gearbeitet, du hast nichts gelernt, du hast nichts getan.
…
SPIEGEL: Herr Lafontaine, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
… = an dieser/n Stelle(n) gekürzt.
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