Angebliche steuerliche Begünstigung der Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Ausland

Walter Schöler, MdB
WALTER SCHÖLER, MdB für den Kreis Viersen und haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

1.
Die Behauptung, die Kosten einer Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland werden steuerlich begünstigt, geht am Kern der Problematik vorbei. Denn die einschlägigen steuerlichen Regelungen berücksichtigen nicht mehr und nicht weniger als den Aufwand von Unternehmen, den diese für die Erschließung neuer Geschäftsfelder und Einnahmequellen haben. Das sind steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben.

Wenn ein Unternehmen aus Bayern Mittel aufwendet, um in Nordrhein-Westfalen Fuß zu fassen und dort einen Betrieb zu eröffnen, dann käme niemand auf die Idee, diese Kosten steuerlich nicht zum Abzug zuzulassen. Wenn der Betrieb aber nicht in NRW, sondern einige Kilometer weiter in Holland errichtet werden soll, dann fordern Jarass und Scheel einen steuerlichen Abzug zu verwehren.

Es liegt auf der Hand, dass eine solche – zwischen in- und ausländischen Investitionen differenzierende – Regelung gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages verstoßen und vor dem EuGH keinen Bestand haben würde.
Es wäre auch politisch nicht klug, das zu tun, denn dem Standort Deutschland tut es gut, wenn deutsche Unternehmen im Ausland aktiv werden.
Zur Kenntnisnahme ist der Artikel aus der FTD vom 8. April 2004 „Die Deutschen verlagern zu wenig“ angefügt.

Pauschalierend ist im Zusammenhang mit Beteiligung im In- wie im Ausland aber ein bestimmter Betrag vom steuerlichen Betriebskostenabzug ausgeschlossen.

Dividendenzahlungen aus dem Ausland an die inländische Kapitalgesellschaft werden zudem – wenn sie an den Anteilseigner in Deutschland ausgeschüttet werden – besteuert.

2.
Eine Möglichkeit wäre, die steuerlichen Bedingungen für In- und Ausländer gleichermaßen zu verschärfen.

Ein umfassendes steuerliches Betriebskostenabzugsverbot von Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer Unternehmensbeteiligung stehen, würde aber zu erheblichen Abgrenzungsproblemen bei der Zuordnung der Betriebsausgaben und damit zu Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Finanzämtern führen.

Und ein solches Verbot würde zum anderen – und das ist politisch entscheidend – den Wirtschaftsstandort Deutschland erheblich schwächen. Denn dann könnten Unternehmen ihren Aufwand für die Erschließung neuer Märkte und Absatzchancen auch innerhalb Deutschlands nicht mehr steuerlich geltend machen.

[Exkurs: Steuerliche Regelung:
Wenn eine Kapitalgesellschaft (im Inland) Anteilseigner an einer anderen Kapitalgesellschaft (im EU-Ausland) ist, dann sind Dividendenzahlungen (Gewinne, die nach Steuern im Ausland nach Deutschland gehen) in Deutschland steuerfrei (Konsequenz des neuen Halbeinkünfteverfahren). Betriebsausgaben (Aufwand) für diese ausländische Beteiligung können pauschalierend in Höhe von 5 % der steuerfreien Erträge (nicht des Aufwands!) nicht steuerlich im Inland geltend gemacht werden. Dieses früher nur für ausländische Erträge geltende pauschale Betriebskostenabzugsverbot ist ab 2004 auf in- wie ausländische Dividenden und Veräußerungsgewinne EU-konform ausgedehnt worden. Diese pauschalierende Regelung kann auch ungünstig für ein Unternehmen sein, nämlich dann, wenn der Aufwand für die Erschließung neuer Geschäftsfelder im In- oder Ausland geringer ist, als der Betrag, der 5% der steuerfreien, aus dem Ausland bezogenen Erträge entspricht.]

Wir werden im Rahmen der Beratungen zu den steuerlichen Vorschlägen des „Jobgipfels“ in den nächsten Wochen gleichwohl über diese politisch sehr sensible und rechtlich komplizierte diskutieren. Aber auch andere Fragen werden diskutiert und Änderungen der gesetzlichen Regelungen – wenn sie denn notwendig und EU-rechtlich zulässig sein sollten – prüfen.

Mit freundlichem Gruß

Walter Schöler, MdB