06.04.2005: WALTER SCHÖLER, MdB, im SWR2 >>Tagesgespräch

Walter Schöler
WALTER SCHÖLER, MdB für den Kreis Viersen

Baden-Baden:

Der SPD-Haushaltsexperte Walter Schöler hält eine Länderneuregelung, wie sie Finanzminister Eichel vorgeschlagen hat, derzeit für nicht sehr wahrscheinlich. In dieser Frage sei schon Vorgänger Theo Waigel gescheitert. Im Südwestrundfunk (SWR) unterstützte Schöler jedoch die Vorschläge des wissenschaftlichen Beirats im Bundesfinanzministerium, die Haushaltspolitik der Länder stärker zu kontrollieren.

Der Beirat hatte am 05.04.2005 einen nationalen Stabilitätsrat vorgeschlagen, der die Haushaltssünder disziplinieren können soll. Es sei nicht einzusehen, dass etwa das Saarland den kostenlosen Besuch von Kinderhorten und Kindergärten ermögliche und gleichzeitig über den Finanzausgleich von Ländern Mittel kassiere, die dies ihren Bürgern nicht bieten.

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– Wortlaut des Live-Gesprächs –

Claus Heinrich: Das ist schon komisch, kaum hat Deutschland mit aller Macht den Europäischen Stabilitätspakt politisch wirkungslos gemacht, weil die vierte Übertretung des Schuldenkriteriums ja drohte. Schon spielt Hans Eichel mit dem Gedanken genau solche Kriterien auf die deutschen Bundesländer anzuwenden, die mit ihren Haushalten nicht klar kommen. Macht man da den Bock zum Gärtner?

Walter Schöler: Nein, ich glaube das nicht, sondern das ist ja ein Vorschlag den jetzt der wissenschaftliche Beirat beim Finanzminister gemacht hat, ein unabhängiges Expertengremium, und es ist die Frage in wie weit der Finanzminister diese Vorschläge in Gesetzesform umsetzen will. Theo Waigel hat das schon vor zehn Jahren einmal versucht und es ist beim Versuch geblieben und im übrigen, soweit ich informiert bin, arbeitet man seit 30 Jahren an solchen Reformen die ja auch den Föderalismus betreffen.

Claus Heinrich: Aber welchen Sinn hätte ein solcher Stabilitätsrat für die öffentlichen Haushalte in Deutschland, wie es der wissenschaftliche Beirat vorgeschlagen hat, wenn die Konsequenzen ähnlich wären wie jetzt beim Euro, nämlich rein rhetorisch?

Walter Schöler: Es geht einmal um Haushaltsdisziplin allgemein für die drei staatlichen Ebenen und auch geht es um die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und der Länder untereinander. Der Bund wird kontrolliert durch die Europäische Union nach den Stabilitätskriterien. Das, was etwas anders angewendet werden soll, sind ja die finanziellen Folgen, also die Strafzahlungen, nicht der Stabilitätspakt selbst der geändert werden soll.

Die Gemeinden als dritte Ebene werden kontrolliert durch die Kommunalaufsicht der Innenminister, und zwar sehr scharf sogar mit Haushaltskonsolidierungskonzepten, und die Länder werden durch Niemand bisher kontrolliert, tragen aber dazu bei, dass das gesamtstaatliche Defizit, was ja die EU bewertet , immer höher wird. Insoweit ist die Frage, reicht es aus, dass der Finanzplanungsrat zwischen Bund und Länder Verabredungen trifft, die nicht eingehalten werden. Das ist aber nur der Bereich der Haushaltsdisziplin und Kontrolle in sich, es gibt ja noch den Finanzausgleich zwischen den Ländern, da gibt es fünf Bundesländer, dazu zählen Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg, die zahlen immer ein und es gibt elf Bundesländer, die kassieren Finanzzuweisungen. Deshalb auch eine Klage, von mehreren unionsgeführten Ländern. Und die Länder müssen selber mehr in der Finanzverantwortung bleiben, insbesondere diejenigen, die auf die Hilfe der anderen angewiesen sind. Das kann auch ein solcher Rat mitkontrollieren.

Claus Heinrich: Hintergrund dieser Drohkulisse von Hans Eichel ist ja der Wunsch, die Länder mehr in die Verantwortung für die gemeinsamen öffentlichen Haushalte zu nehmen, auch gegenüber Brüssel. Was spricht denn dagegen, den Ländern dann auch mehr Autonomie bei der

Einnahme -, sprich Steuerpolitik zu geben?

Walter Schöler: Vom Grundsatz her spricht nichts dagegen, bloß die Bundesrepublik ist so engmaschig gestrickt, mit 16 Bundesländern, mit einer hohen Bevölkerungszahl auf engem Raum, dass natürlich unterschiedliche Steuerhebesätze, unterschiedliche Steuerergänzungzuweisungen, die jetzt in den Diskussionen wieder kommen, dass die dazu führen könnten, dass es Bewegungen gibt im Bundesgebiet. Da wird nicht der eine Bürger wegen einer etwas anderen Grundsteuer – die haben wir jetzt schon unterschiedlich – in die andere Stadt ziehen und sein Eigentum aufgeben. Aber es kann natürlich sein, dass die Ansiedlungspolitik in Bundesländern davon bestimmt wird, wo habe ich die günstigsten Steuersätze z. B., so wie Investoren entscheiden wenn, sie irgendwo einen europäischen Standort suchen, wir gehen nicht nach Deutschland, weil uns da die Steuern zu hoch sind, z. B. die Körperschaftssteuern. So könnten dann auch Investoren innerhalb der Bundesländer entscheiden ich gehe jetzt nach Bayern oder ich gehe nach Nordrhein-Westfalen oder Bremen. Aber der Vorteil ist natürlich, es gibt da einen Wettbewerb und der Vorteil ist auch, die Länder haben mehr Eigenverantwortung in der Finanzplanung.

Es kann z. B. nicht sein, dass das Saarland jährlich Ergänzungszuweisungen als notleidendes Land bekommt und sich den Luxus erlaubt, dass alle saarländischen Eltern keinen Beitrag für Kindergärten und Kinderhort zahlen müssen. Während in Ländern wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen, die anderen Ländern einen Ausgleich zahlen, erhebliche Beiträge erhoben werden. Die Eltern sind damit nicht einverstanden, die sagen, wenn schon das Saarland finanznotleidend ist, dann sollen auch die Eltern über die Gebühren und Beiträge ihren Betrag dazu leisten, dass das Land finanziell gesund wird.

Claus Heinrich: Hans Eichel will ja soweit gehen, dass er strukturell zahlungsunfähige Länder auflösen, das heißt letztlich zusammen legen will. Aber was haben Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg davon, wenn sie ihr Elend gemeinsam verwalten, was hat Rheinland-Pfalz davon das arme Saarland auch noch mitfinanzieren zu müssen?

Walter Schöler: Eine Regelung insgesamt wird ja nicht ohne Bundesrat laufen können. Das sehen wir ja auch im Rahmen der Diskussion über die Föderalismusreform. Das heißt also alle Maßnahmen, die ergriffen werden sollen, bedürfen der Zustimmung der Länder und vor zehn Jahren ist genau an diesem Punkt auch die Initiative von Waigel gescheitert. Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, nachdem es eine Gesamtdiskussion über die Föderalismusreform so schleppend gibt sie muss ja wieder anlaufen, es geht gar nicht anders, dass die Mehrzahl der Länder ihrem eigenem Todesurteil von vornherein in einer Gesetzesänderung zustimmen würden.

Insoweit wird eine Reform der Bundesländer, Auflösung der Länder, Zusammenlegung, nur immer im Zusammenhang mit den Länderparlamenten mit dem Bundesrat und vor allen Dingen mit der Abstimmung in der Bevölkerung zustande kommen. Also diese Regelung halte ich nicht für umsetzbar. Andere Regelungen sehr wohl.

Südwestrundfunk

SWR2 Tagesgespräch

Sendung: Mittwoch, 06.04.2005, 7.10 bis 7.15 Uhr

Claus Heinrich im Gespräch mit Walter Schöler, MdB, SPD-Haushaltsexperte