Es war der erwartete Schlag. Die Bundesregierung hat die Öffentlichkeit sorgfältig darauf vorbereitet, dass die Zahl der Arbeitslosen im Februar die Grenze von 5,2 Millionen überschreiten werde.
Nun sind es noch etwas mehr geworden als erwartet – wegen des strengen Frosts und weil sich wegen Hartz IV noch mehr Menschen als arbeitsuchend meldeten. Die Zahl macht Angst, trotz aller Vorbereitung, und sie kann Regierungsmehrheiten gefährden, wie Schleswig-Holstein gezeigt hat.
Im Laufe dieses Jahres wird die Arbeitslosigkeit zwar schnell wieder unter die Marke von fünf Millionen sinken, aber jeder weitere Fortschritt danach muss schwer erkämpft werden.
ANSTIEG VON REZESSION ZU REZESSION:
Die Massenarbeitslosigkeit hat sich in den vergangenen dreißig Jahren aufgebaut, von Rezession zu Rezession stiegen die Höchstwerte, ohne dass danach in guten Zeiten das alte Niveau wieder erreicht worden wäre.
Immer wenn das System Bundesrepublik einem Schock ausgesetzt war, reagierte es dadurch, dass es die Schwächsten aussonderte: die gering qualifizierten Arbeitnehmer. So war das bei den beiden Ölkrisen, so war es nach der Wiedervereinigung und während der Beschleunigung der Globalisierung in den neunziger Jahren.
Im Kern geht es darum, diesen Prozess umzukehren: Das Angebot an Arbeit muss preiswerter und flexibler werden, die Nachfrage nach Arbeit durch Wachstum steigen. Die schlechte Nachricht ist, dass dies alles sehr lange dauert, die gute, dass einige wichtige Schritte bereits getan wurden. Am wichtigsten ist vielleicht, dass sich während der letzten Krise die Lohnpolitik geändert hat.
Maßvolle Lohnabschlüsse, unzählige Beschäftigungsbündnisse in den Betrieben und längere Arbeitszeiten haben dazu geführt, dass die Lohnstückkosten, also die Kosten der Arbeit pro Produkteinheit, gesunken sind.
REFORMPAUSE NICHT ZU RECHTFERTIGEN:
Arbeit ist tatsächlich schon preiswerter geworden. Hartz IV, Gesundheits- und Rentenreform zeigen das politische Bemühen, die Sozialkosten, die auf jedem Arbeitsplatz lasten, zu senken. Schon allein die Tatsache, dass die Regierung im Streit um Hartz IV nicht eingeknickt ist, wird sich positiv auswirken.
Durch nichts allerdings wäre jetzt eine Reformpause zu rechtfertigen. Die Rezepte liegen auf dem Tisch: Eine Hartz-V-Reform müsste es Betrieben erleichtern, von Tarifverträgen abzuweichen.
Der Übergang von Arbeitslosengeld II in den normalen Arbeitsmarkt sollte leichter möglich sein. Die Steuerlast ist zwar heute in Deutschland nicht mehr zu hoch, wohl aber liegt sie für die deutschen Unternehmen deutlich über denen vieler anderer Industriestaaten, insgesamt muss das Steuerrecht einfacher werden.
Die Ausgaben für Bildung und Forschung müssen dramatisch steigen; Pisa hat auch etwas mit Wachstum und Beschäftigung zu tun. Die Deutschen können nur dann erwarten, dass sie nachhaltig mehr Geld verdienen als die Konkurrenten in Billiglohnländern, wenn sie innovativer und produktiver sind.
(SZ vom 2.3.2005)