Statistisches Bundesamt: „Rund 4 (vier) Millionen Deutsche sind ohne Arbeit“!

Wiesbaden – In Deutschland gab es bislang keine Arbeitsmarktstatistik, die jeden Monat aktuell international vergleichbare Daten zur Erwerbslosigkeit und zur Erwerbstätigkeit bietet. Diese Lücke schließt das Statistische Bundesamt in Wiesbaden nun mit der ILO-Arbeitsmarktstatistik, die die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit einem Monat Zeitverzögerung ergänzt. Nach den Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wird jeder Bundesbürger im Alter zwischen 15 und 74 Jahren als erwerbstätig, erwerbslos oder Nichterwerbsperson klassifiziert.

Erwerbstätig ist, wer in der abgefragten Woche wenigstens eine Stunde gegen Bezahlung gearbeitet hat, selbstständig war oder in einem Familienbetrieb mitgeholfen hat. Als erwerbslos gilt, auf wen dies nicht zutrifft. Zudem muss er in den vier Wochen davor aktiv nach einer bezahlten Tätigkeit gesucht haben und dem Arbeitsmarkt innerhalb von zwei Wochen für eine neue Beschäftigung zur Verfügung stehen. Als Nichterwerbsperson gilt, wer weder erwerbstätig noch erwerbslos ist, also etwa Hausfrauen, die nicht arbeiten wollen. Die BA zählt denjenigen als arbeitslos, der weniger als 15 Stunden pro Woche arbeitet. Deshalb klaffen die BA-Zahlen und die ILO-Statistik weit auseinander. So weist die ILO-Statistik für Januar 3,99 Millionen Erwerbslose aus, während die BA in dem Zeitraum 5,039 Arbeitslose registriert hatte.

Für die ILO-Arbeitsmarktstatistik werden monatlich 30.000 zufällig ausgewählte Bundesbürger telefonisch befragt. Sie sollen nach Möglichkeit in sechs aufeinander folgenden Monaten interviewt werden, um die Entwicklung des Arbeitsmarktes im Zeitverlauf abzubilden. Die neue Statistik wird monatlich die absolute Zahl der Erwerbstätigen, die absolute Zahl der Erwerbslosen sowie die Erwerbslosenquote für Deutschland bieten. Weltweit führen derzeit 123 Länder eine Statistik nach dem ILO-Erwerbsstatus-Konzept. Davon veröffentlichen aber nur zehn echte Monatsdaten. Das Europäische Statistikamt meldet kommenden Freitag neue Daten zur Arbeitslosigkeit in der EU.

Hintergrund der neuen Statistik ist der Wunsch nach einer besseren internationalen Vergleichbarkeit der Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Neuregelung wurde im Mai 2004 von der Bundesregierung auf den Weg gebracht. Eine Rolle dürfte dabei auch gespielt haben, dass die Erwerbslosenzahlen in der Regel geringer ausfallen dürften als die Arbeitslosenzahlen. Experten versprechen sich von der neuen Erwerbsstatistik ein verlässlicheres Bild der Entwicklung am Arbeitsmarkt, weil die Erfassung nicht durch gesetzliche Änderungen beeinflussbar ist. "Die Daten sind unabhängig von den Wechselfällen der Sozialgesetzgebung", sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Johann Hahlen. Es sei ausgeschlossen, dass allein durch Änderungen des Sozialrechtes quasi über Nacht eine große Anzahl von Menschen in die Statistik hinein kämen oder aus der Statistik herausfielen.

Allerdings hat auch die ILO-Statistik ihre Schwächen. Ausgehend von der Stichprobe wird auf die Gesamtsituation der Bevölkerung geschlossen. Die Hochrechnung weist zwangsläufig Messungsungenauigkeiten auf. Laut Bundesamt ist mit einem relativen Fehler von 2,5 Prozent zu rechnen. Bei einer hochgerechneten Erwerbslosenzahl von vier Millionen bedeutet dies den Angaben zufolge, dass die Zahl der Menschen ohne Job mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent zwischen 3,84 und 4,16 Millionen liegt.