
St. Tönis/Colombo.
"Wir sind dem Düwel noch jrad von de Schipp jespronge."
Dr. MICHAEL HORST, SPD-Ratsherr aus St. Tönis und Kreistagsmitglied, muss selten lange nach passenden Worten suchen. Doch diesmal braucht es eine Weile, bis ihm klar zu werden scheint, wie knapp seine Familie und er der Flutkatastrophe in Südasien entkommen sind:
Nur wenige Minuten vor der Landung ihres Ferienfliegers am Sonntagmorgen auf den Malediven war die riesige Welle über die Landebahn des Flughafens der Hauptstadt Male hinweg gefegt. Zurück blieben nur Schlamm und Trümmer. "Wäre das drei Minuten später passiert, dann wären wir jetzt tot", ist der Ratsherr überzeugt.
Es sollte ein besonders schöner Urlaub werden: MICHAEL HORST und Ehefrau BETTINA freuten sich als vielfache Malediven-Reisende auf tolle Tauchgänge. Ebenso erging es ihren Kindern MATTHIAS (13) und ANNA (10), die in diesem Jahr den Tauchschein gemacht haben.
Anna und Papa Michael wollten zudem unter Palmen am 30. Dezember bzw. 1. Januar Geburtstag feiern. Am ersten Weihnachtsfeiertag stieg die Familie abends in Düsseldorf in den Flieger. Niemand von ihnen ahnte, dass sie am Montagmorgen nach zweitägiger Odyssee wieder in St. Tönis sitzen würden.
Nur noch 800 Fuß (knapp 300 Meter) Höhe habe der LTU-Flieger gehabt, als erstmals von "viel Verkehr" auf dem Flugplatz die Rede gewesen sei, erinnert sich MICHAEL HORST. Man habe zwei Warteschleifen geflogen, dann wurde Kurs auf Colombo (Sri Lanka) genommen. "Die Co-Pilotin sprach mit zittriger Stimme über Bordlautsprecher von einer Tigerwelle, die den Flugplatz überflutet hat", sagt Dr. HORST. Gesehen habe man davon nichts. Lediglich die große Zahl der Schaumkronen, die aus großer Höhe zu erkennen waren, sei ihm aufgefallen.
Am späteren Vormittag landete der Ferienflieger in Colombo. Auf Sri Lanka selbst hatte die Flutwelle zwar verheerend gewütet, der Flugplatz war aber nicht betroffen. Die LTU-Passagiere mussten die Maschine verlassen.
Was MICHAEL HORST ärgert: "Die Crew hat sich dann einfach verdrückt. Das ist mir in 20 Jahren Fliegerei noch nie passiert." Ohne weitere Informationen, was genau eigentlich passiert ist und wie es weitergehen soll, standen die rund 300 Reisenden im Flughafen-Gebäude. Vergeblich habe man über Handy versucht, Genaueres bei der LTU in Düsseldorf zu erfahren. Es dauerte Stunden, ehe ein Bevollmächtigter der Gesellschaft vor Ort den Rückflug für abends, 19 Uhr, angekündigt habe. Zuvor sei sogar noch von einem erneuten Flug Richtung Malediven die Rede gewesen.
Das ganze Ausmaß der Katastrophe ist Familie Horst erst in Deutschland klar geworden. Völlig erschöpft waren sie in der Nacht zu gestern wieder in Düsseldorf gelandet. Übers Internet hat sich Dr. Horst gestern Morgen über den Zustand der Insel informiert, auf der seine Familie Ferien machen wollte.
Zumindest eine gute Nachricht erfuhr er dabei: Es gab zwar enorme Sachschäden, aber keine Toten.
28.12.04
Von Werner Dohmen
WESTDEUTSCHE ZEITUNG