BUNDESKANZLER GERHARD SCHRÖDER und SPD-Vorsitzender FRANZ MÜNTEFERING zum Haushalt 2005

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Franz "Münte" Müntefering & Walter Schöler
Walter Schöler und Bundeskanzler Gerhard Schröder
Walter Schöler, MdB & Bundeskanzler Gerhard Schröder

Bundeskanzler GERHARD SCHRÖDER

und

der Partei- und Fraktionsvorsitzende FRANZ MÜNTEFERING

haben in der Haushaltsdebatte gesprochen.

Nachfolgend sind einige wesentliche Elemente ihrer Reden dokumentiert und redaktionell zusammengefasst.

Der Opposition blieb nach diesen Reden nur wenig übrig: Bemüht verteidigte Angela Merkel ihr Kopfpauschalenungetüm und versuchte, daraus Regierungsfähigkeit abzuleiten und Guido Westerwelle hat einmal mehr deutlich gemacht, dass es ihm bei seinen Beiträgen im Plenum weniger um die Sache als um billige Polemik geht.

Deutschlands Problem sei, dass es unter Wert regiert würde, findet die Opposition – und will mit Patriotismus punkten. Doch sie redet das Land schlecht, verweigert sich sinnvollen Lösungen mit einer strikten Blockadehaltung. Auch die von der Union angestrengte Wertedebatte ist keine ehrliche: Abstrakt fordert sie die Einhaltung der Werte, wähnt sich selbst im Wertehimmel, doch auf dem harten Boden der Tatsachen findet man diese Werte nicht wieder. Wer Bundesminister als „Zuhälter, wenn man so will“ bezeichnet, hat in einer Wertedebatte noch viel zu lernen.

Worauf unsere Gesellschaft beruht, ist eindeutig: dem Grundgesetz. Basierend auf seinen Artikeln sind wir auf dem richtigen Weg: Notwendige Reformen werden angepackt und die ersten Erfolge sind sichtbar. Die Richtung stimmt, wir werden unseren Kurs fortsetzen.

BUNDESKANZLER GERHARD SCHRÖDER:

1) Die Reformen sind notwendig und richtig. Die Menschen beginnen, den Reformprozess nachhaltig zu unterstützen.

Wir haben auf die Herausforderungen reagiert. Wir sind die Ersten gewesen, die mit der Agenda 2010 ein umfassendes Strukturprogramm vorgelegt haben, das die notwendigen Reformen eingeleitet hat.

Man muss geduldig erklären, warum diese Maßnahmen im Interesse der Zukunftsfähigkeit unseres Landes sind. Wir müssen das tun, auch wenn es für diejenigen, die betroffen sind, manchmal bitter ist.

Die Einsicht, dass Reformen notwendig sind, wächst. Die Kluft, die bei Reformmaßnahmen in doppelter Hinsicht besteht, beginnt sich zu schließen: die Kluft zwischen der abstrakten Bereitschaft, Veränderungen mit zu tragen, und der abnehmenden Bereitschaft, wenn es konkret wird, wenn man selber betroffen ist; die Kluft auch zwischen den manchmal schmerzhaften Entscheidungen, die jetzt sein müssen, und den Erfolgen, die erst später eintreten werden. Diese Kluft schließt sich. Das ist der Grund dafür, dass die Menschen in Deutschland beginnen, den Reformprozess, auch dort, wo er konkret wird und wo sie selbst betroffen sind, zu unterstützen. Das ist eine Perspektive, die Mut macht, auf diesem notwendigen Weg weiter voranzugehen.

Die Opposition führt keine ehrliche Wertedebatte. Sie redet das Land schlecht, um parteipolitische Auseinandersetzungen zu führen.

Die Frage, die wir hier zu debattieren haben, ist doch wohl: Welche Beiträge können die Politik und die Gesellschaft schlechthin erbringen, um die Herausforderungen zu meistern, um die Chancen zu nutzen, um Erfolge zu haben?
Das sollte der Kern der Debatte sein.

Anstatt diese Diskussion zu führen, haben wir von Ihnen nur das gehört, was wir von Ihnen schon kennen. In jedem Fall zeichnen Sie das Bild eines Deutschlands im Jammertal. Sie zeichnen ein Zerrbild des Landes.

Indem Sie Deutschland nach innen diskreditieren, tun Sie es naturgemäß auch nach außen.
Das sage ich vor dem Hintergrund der so genannten Patriotismusdebatte; denn wenn eines unpatriotisch ist, dann das eigene Land so schlecht zu reden, wie Sie es gegenwärtig tun, nur um Machtauseinandersetzung zu betreiben.

Sie reden abstrakt über Solidarität und über die Würde des Menschen. Wenn es dann aber konkret wird, reden Sie über die Abschaffung des Kündigungsschutzes und über die Abschaffung der Mitbestimmung. Diese Art einer verqueren und unehrlichen Wertedebatte werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

PARTEI- und FRAKTIONSVORSITZENDER FRANZ MÜNTEFERING:

1)
Die Erfolge unserer Politik kommen. Unser Kurs für Deutschland ist anstrengend, aber richtig.

Was CDU und CSU nie gewagt haben, nämlich eine Agenda 2010, hat diese Koalition begonnen.
Darauf sind wir stolz.
Wir sind damit auf einem guten Weg. Mehr und mehr wird deutlich, dass die Erfolge kommen.

Bei der Krankenversicherung ist klar geworden, dass die Einnahmen in diesem Jahr deutlich höher liegen, als es im vergangenen Jahr der Fall war.

Wir haben vier Milliarden Euro für Ganztagesschulen und Ganztageseinrichtungen zur Verfügung stellen können.

Bei den Ausbildungsplätzen haben wir Ergebnisse, die deutlich besser sind, als sie zu Beginn dieses Jahres noch schienen. Denn es haben mehr junge Menschen die Schule verlassen.

Wir holen durch die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe
1 Million Menschen aus der Sackgasse der Sozialhilfe. Sie bekommen wieder eine Lebensperspektive. Das ist das Ergebnis unserer Politik.

Es wird immer deutlicher: Die Anstrengungen lohnen sich für alle – und dies heute und morgen.

Es wächst neues Vertrauen.

Die Situation, in der wir waren und in der wir noch sind, ist zu begreifen: Wenn man einen Wandel von erheblichem Umfang anstrebt und auslöst, dann verunsichert das die Menschen. Aber die Wahrheit ist – das müssen wir in unserem politischen Handeln erkennbar machen -: Sicherheit, soweit dies überhaupt möglich ist, wird man nur durch einen deutlichen Wandel erreichen können.

Das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Landes wächst wieder, auch das Vertrauen in die politische Linie der Koalition.

2)
Die Migrationsdebatte dürfen wir nicht leichtfertig führen. Die Grundlage unserer Gesellschaft ist das Grundgesetz.

Wir müssen in Deutschland aufpassen, dass wir nicht leichtfertig eine Debatte beginnen und sich ausweiten lassen, die so nicht geführt werden sollte.
Alles in allem ist das Zusammenleben zwischen Deutschen und Nichtdeutschen in Ordnung. Das hat etwas damit zu tun, dass viele bereit sind, sich einzubringen und sich gemäß unserem Grundgesetz zu verhalten. Da das Wort so oft auf die Kultur des Landes kommt, soll noch einmal an das Grundgesetz erinnert werden. Darin steht das, was die gemeinsame Basis für uns alle in diesem Land sein kann.

Wir leben in diesem Land mit sehr unterschiedlichen eigenen Erfahrungen, was Religion angeht.
Viele von uns wissen gar nicht, wie der andere an dieser Stelle letztlich denkt. Das ist auch nicht schlimm, weil die Politik, die Gesellschaft und der Staat nicht die Aufgabe haben, die letzten Sinnfragen des Lebens zu lösen. Das ist die Sache jedes Einzelnen.
Die gemeinsame Basis, die durch dieses Grundgesetz gelegt wurde, kann uns alle miteinander tragen. Das muss auch für diejenigen gelten, die mit einem anderen Ausweis hier bei uns im Lande leben.

Ich glaube, dass wir hier nicht mutlos sein dürfen. Warum haben wir nicht den Mut, die große Idee der Freiheit und des sozialen Fortschritts, die mit diesem Grundgesetz und mit dieser Republik verbunden ist, auch ihnen nahe zu bringen? Das werden wir miteinander doch schaffen. Wir werden die, die hinzukommen, davon überzeugen, dass dieses Grundgesetz und die Grundwerte unserer Politik auch für sie den Weg in eine gemeinsame gute Zukunft zeigen.

Ich bitte darum, sich gegenseitig ernst zu nehmen und Menschen nicht zu demütigen. Das scheint mir beim Umgang mit den Menschen anderen Glaubens, anderer Religion und anderer Herkunft das Wichtigste zu sein.